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Trail de la Vesubie

Ich stehe vor dem Problem mich zu entscheiden, will ich abends um 5 fahren und die Nacht in einem Schlafsaal verbringen oder morgens um 2 losfahren und das Risiko eingehen dass es Falschinformationen sind?

Völlig nervös habe ich nachts eine Weile am Abholpunkt gesessen, alleine. Irgendwann sah ich einen Bus um die Ecke stehen. Wir waren zu viert auf der Fahrt nach Vesubie.

Wieder einmal als der einzige Deutsche stand ich mit 130 Startern um 5 Uhr morgens am Start und lief los. Alle Läufer laufen in einem Pulk die Straßen um das Dorf herum, bis wir alle den Berg hoch steigen. Es dauert bis die Sonne auf geht, bis dahin sind die Stirnlampen wichtig. Ich halte mich an die Fersen einer hübschen Dame.

Nach 3h im Wald erreiche ich die erste Verpflegungsstelle. Suppe, Käse, Cracker und Wasser für meine Flaschen sind willkommen. Raus aus der Gruppe bin ich wieder alleine unterwegs, erst kurz bergab und dann lange bergauf. Die Hitze fällt auf mich nieder und jedes bisschen Wasser in meinem Rucksack hilft mir weiter zu kommen.

Der weg ist verrückt. Es geht enge, steinige Wanderwege hinauf. Viel Schatten gibt es nicht. Eincremen ist Pflicht. Bereits vormittags erreichen wir die 30°C.
Erst auf den Gipfel, dann wieder bergab. Ein Stück runter liegt ein großes, rundes, aufgeblasenes Zelt das ich für eine Verpflegungsstation halte. Ich habe Durst und meine Füße nerven. Ich stolper weiter den Hang herunter, einige hundert Meter vor mir der nächste Läufer. An einer Berghütte läuft Wasser aus einem Schlauch in einen Trog. Das Wasser sieht nicht vertrauenserregend aus und der Freiwillige der dort aufpasst kann uns nichts über die Trinkbarkeit sagen. Ich  fülle zwei Softflasks auf.
Es geht den steilen Berg auf einem Schotterweg runter. Um eine Kurve herum liegt eine Verpflegungsstelle an der ich erstmal was esse und trinke. Ich gieße meine Flaschen aus, wasche sie und gebe sie zum Befüllen weiter. Ich brauche ein bisschen um die Motivation aufzubringen weiter zu laufen. Ich habe mit 36km und 8 Stunden ungefähr die Hälfte geschafft. Meine Füße sind nicht im besten Zustand, die Strecke ist nicht barefootfreundlich.

Ausserhalb des Camps geht es einen schmalen Trampelpfad und dann eine Geröllstecke hoch. Ungefähr 2km später fange ich an mich zu übergeben. In den Flaschen habe ich jetzt Iso-Getränke, die ich offenbar nicht verkrafte. Kaum habe ich mich übergeben muss ich würgen wenn ich nur an meinen Flaschen rieche. Die Landschaft ist wunderschön, doch die Mischung aus Überhitzung und Würgereiz verhindert den Genuss. Nach einer kleinen Hochebene komme ich an zwei kleinen Teichen vorbei, wo zwei Helfer Läufer notieren und Chips kontrollieren.
Alle paar km versuche ich es mit einem Schluck von dem Wasser, wenn ich es nicht bei 2 oder 3 kleinen Schlucken belasse muss ich mich übergeben. An einem Geröllhang kommt nochmal ein Schub hoch. Oben auf dem Gipfel ist die Aussicht einfach unglaublich (siehe Foto).

Meine Füße bekommen ein paare größerer Blasen.
Stunden später komme ich unten an und erreiche eine weitere Verpflegungsstelle. Hier ist ein kleiner Ort. Es gibt immer mal wieder jubelnde Einhemische. Ich versuche es mit einem Bisschen Cola. Käse, Cracker und Suppe füllen ein klein wenig an Flüssigkeit und Energie nach, die ich dringend nötig habe. Ich muss aber erwähnen dass es echt nicht viel ist, das ich rein kriege.
Ich setze mich hin und ziehe die Socken aus. Sie haben schon kleine Löcher, sind feucht und schmierig. Ich muss die Reste der Blasen entfernen. Mir ist kaum noch Hornhaut geblieben. Zum Glück habe ich Creme eingesteckt und reibe damit meine Füße ein. Einer der Helfer hält mich auf und fragt ob ich Hilfe brauche, was ich verneine. Anschliessend fragt er mich ob ich ihm meine Jacke und meine Lampe zeigen kann. Ich habe nur Ärmel und meine Stirnlampe, sie reichen. Ich darf weiter laufen.

Der Wald, der um mich herum liegt, ist sehr schön. Die Hitze weicht langsam. Ich laufe in einer kleinen Gruppe von Franzosen mit. Zwei Frauen und drei Männer sind genauso schnell wie ich. Eine der Frauen ist die selbe hinter der ich am Start gelaufen bin. Zum Sonnenuntergang schaffe ich es aus dem Wald heraus, auf der Wiese sitzen noch weiter Läufer und machen Pause. Ich versuche es nochmal mit trinken und muss mich kräftig übergeben. Es geht mir dreckig.
Einer der Franzosen fragt mich ob es mir gut geht. Ich antworte dass ich mich nicht gut fühle. Er wünscht mir viel Glück, dreht sich um und läuft weiter.
Der Gedanke „Ich will hier nicht alleine bleiben“ bekommt etwas meditatives. Der Sonnenuntergang hinter der Bergkette ist berauschend.
Am Hang gibt es nochmal eine Kontrolle meiner Nummer. Einer der Helfer sieht meine Schuhe und fragt mich wie es sich in ihnen laufen lässt. Ich antworte ehrlich dass es normalerweise großartig ist, hier ist es aber nicht angebracht.

Die Streckenführung muss irgendwann mal als Witz gestartet haben. Die Läufer sind noch immer direkt vor mir. Erst geht es einen Wanderweg entlang und dann plötzlich auf einer Wiese direkt den Berg hoch. Oben auf dem Kamm wandern wir der nächsten Kontrolle entgegen. Ich lege mich auf eine Betonplatte und versuche Luft zu schnappen. So furchtbar habe ich mich noch nie gefühlt. Der Magen hängt irgendwo wo er nicht hin gehört, die Beine sind jenseits des Begriffes Erschöpfung, die Füße brennen und mein Kreislauf hat einen Tag über 30°C und zu wenig Wasser hinter sich. Ich will aber nicht aufgeben also geht es noch steiler bergab als es zuvor bergauf ging.

Unten am Hang sitzen zwei Helfer, hören Reggae und begrüßen die Läufer. Ich setze mich und frage ob sie einen Schluck Cola übrig haben. Die zwei sind sehr nett und ich bin unglaublich dankbar über die Hilfe und Gesellschaft. Es hilft aber nichts, ich muss weiter. Meine Uhr hat längst den Geist aufgegeben, Akku alle. Es ist stockdunkel. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit laufe ich einen echten Weg entlang.

Von hinten nähert sich mir ein Läufer. Matthieu wurde von den Jungs drum gebeten auf mich aufzupassen, was er auch macht. Ich unterhalte mich mit ihm und jammer ihm dabei die Ohren voll. Die anderen Läufer sind weit vor uns. Am Rand von Vesubie holen wir sie langsam wieder ein. Matthieu hat ungefähr die selbe hohe Meinung von den Herrschaften wie ich, er will sie seinen Staub essen lassen. Ich bin nur zu gerne mit dabei. Nach einem langen Tag auf den Beinen bin ich noch zu einigen Sprints in der Lage. Wir rennen an einem nach den anderen vorbei. Meine Füße habe ich schon lange aufgehört zu beachten

Nach 18 1/2h laufen wir ins Ziel ein und kommen damit noch vor Mitternacht an. Es ist nicht viel los also kriegen wir beide eine Massage, doch bevor meine Beine massiert werden nimmt mich die Fußpflegerin dran. Ich bekomme einen verbalen Einlauf von ihr. Ich hätte die Hornhaut abschleifen lassen sollen. Sie hatte schon von einem Verrückten in Barfußschuhen, mit geplatzter Hornhaut an einer der Verpflegungsstellen gehört, aber was sie sieht wundert auch sie. Ich bekomme eine ausgiebige Behandlung. Die Masseuse ist ganz süß und flirtet auch ein wenig mit mir. Die Aufmerksamkeit tut gut.
Mathieu und ich steigen in den Bus und reden ein wenig. Ich hoffe dass mein Magen auf der Fahrt durchhält, was er zum Glück auch tut. Mit den offenen und verbundenen Fußsohlen ist aber schwimmen die nächsten Tage nicht drin.

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