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Eco Trail de Paris – bis ins Ziel und darüber hinaus

Weiter geht es. Die ersten Schritte zeigen dass die Pause zu lang war. Mir ist kalt und die Beine wollen einfach nicht so wie sie sollen. Es dauert einige hundert Meter bevor ich wieder einen Rhythmus finde. Dabei war ich nichtmal 5 Minuten an der Verpflegungsstation.
Ein Ultra, auch 50k, ist anders als ein Volkslauf. Ich habe vielleicht ein Dutzend Menschen um mich herum. Viele Rücken sind mir mittlerweile vertraut, man ist auch im Wald nicht alleine.

Meine Uhr zeigt dass ich schon 2km von der Verpflegungsstation entfernt bin als ich laut „FUCK“ schreie. Eine Läuferin neben mir fragt „Ca va?“ und ich versuche ihr zu erklären dass ich meine Sonnenbrille an der Station vergessen habe. Ich muss nicht lange nachdenken um festzustellen dass 54 km heute einfach nicht drin sind, dazu sind die Beine jetzt schon zu schwer. Ich liebe diese Brille, aber sie ist unmöglich zu erreichen. Vielleicht finde ich im Ziel jemanden, den ich fragen kann.

Der Weg führt vorbei an 2 kleinen Seen. Die Abwechslung tut gut, ich bin unkonzentriert und stolper über eine Wurzel stolper. Seit über 3h bin ich bereits unterwegs und merke dass ich mich wieder konzentrieren sollte.
Am Wegrand stehen Papa mit 2 Kindern und ein paar Schildern auf denen wahrscheinlich sowas wie „Lauf Mama“ steht. Mama läuft vor mir und ist fast außer sich vor Freude als sie es sieht und hält an um ihre Kinder zu umarmen.

Wieder im Wald angekommen versuche ich irgendwie unbeschadet an einer sumpfigen Stelle vorbei zu kommen und versinke links bis zum Knöchel, ein ekeliges Gefühl. Ich kenne das Problem aber bereits und weiß dass die Feuchtigkeit im Schuh sehr bald warm wird und aus meinem Bewusstsein verschwindet. Was mir wirklich Sorgen macht sind die Blätter- oder Astreste, die immer wieder in meinen Schuh kommen. Bis jetzt reibt aber noch nichts.

Plötzlich endet der Wald und es geht durch eine typisch französische Ortschaft, ich muss hier wohl in Saint Cloud sein. Schon komisch wieder an Straßenverkehr vorbei zu laufen. Ein kleiner Park und ich bin durch ein Tor wieder im Wald.
Weniger später geht es einen Hang hinunter und ich sehe einen Läufer, der sich erst an einen Baum lehnt und dann mit schmerzverzerrten Gesicht hinsetzt. Ich kann kein Französisch, also kann ich ihn nichtmal fragen ob alles ok ist. Das schlechte Gewissen begleitet mich noch ein Stück. Der Wald verlässt mich und ich laufe über ein paar Wiesen. Das Gras ist schon dem Matsch gewichen, ich bin ganz sicher nicht der Erste, der hier rüber rennt.
Es geht nochmal bergab in einen streng angelegten Park mit großem Brunnen. Hier endet der Eco Teil des Trails und Paris beginnt. Einen extrem steilen Hang geht es nur langsa hoch. Oben noch ein Foto bevor ich die zweite Verpflegungsstelle überfalle. Ich bin nicht durstig, aber was zu Essen ist eine großartige Idee. Ich fange mit einer Suppe an, bevor ich mich durch den Rest durchprobiere.

Vom Berg runter kann ich ihn endlich sehen, den Eiffel Turm. Dort muss ich hin, aber meine Uhr sagt mir dass ich noch 10km vor mir habe. Einen steilen Weg hinunter geht es zur Seine aber der Weg ist nicht gerade zum Turm sondern erstmal nach rechts. An einer dreckigen Hauptstraße entlang zieht sich eine Perlenschnur von Läufern vor mir her. Überall wo wir über eine Straße müssen stehen Helfer, die den Verkehr aufhalten. Die Organisation ist wirklich großartig, nur dass es hier an einer Hauptstraße entlang vorbei geht macht weniger spaß. Weg von der Seine geht es eine steile Straße hoch und dann wieder runter.
Nochmal geht es über die Seine um dann wenig später einen kleinen langezogenen Park zu durchqueren. Der Eiffelturm wird bei jedem Erscheinen größer. Wir laufen vorbei an Baubedarf-Lager, der Sodexo Zentrale, den Microsoft Büros, usw. Ich war noch nie in dieser Gegend und ich glaube auch nicht dass mich so schnell wieder etwas hierher bringen wird.
Nach einer gefühlten Ewigkeit winkt mir die Kopie der Freiheitsstatue entgegen. Ist das ein Lächeln in ihrem Gesicht oder bilde ich es mir nur ein? Ein kleine Rampe hoch und den kleinen Landstreifen in der Mitte der Seine wieder runter. Treppen fallen mir mitlerweile undendlich schwer. Die Oberschenkel haben ihr Gewicht wohl verdoppelt. Die Schritte sind nicht mehr lang und haben mehr mit Willen als mit Kraft zu tun. Ich bin jetzt in Paris, die vielen Spaziergänger beweisen mir das. Ich sehe nicht mehr viele Läufer um mich herum, das Feld hat sich sehr zerstückelt.

Am Pont de Bir-Harkeim geht es eine steile Treppe hoch. Vor mir ist ein Läufer auf seine Freunde gestoßen die mit einer großen Show die Treppe hoch hüpfen. Ein Helfer passt auf dass ich beim Überqueren der Straße nicht überfahren werde. Der gesamte Weg unter den Metroschienen ist für Läufer abgesperrt.

Die letzten Meter die Promenade entlang gebe ich nochmal alles was meine Beine hergeben. Ich hätte nicht gedacht dass ich tatsächlich noch so schnell laufen kann, aber das beweisst was für einrrWirkung der Kopf auf den Körper hat. Einmal schnell über die Ziellinie hinweg, eine leichte Verwissung weil mir eine der Organisatorinnen etwas erklären will, ich sie aber nicht verstehe. Sie drückt mir ein rotes finisher Shirt in die Hand und nur wenige Meter weiter kämpfe ich mit den Tränen. Ich bin unglaublich glücklich alles durchgestanden zu haben. Nach einer kurzen Pause auf dem Grünstreifen  noch ein paar Fotos vom Ziel und dann geht es zur letzten Aidstation.

Das Stadion ist nicht weit, eigentlich nur über die Straße hinweg. Um mich herum gibt es einige glückliche Gesichter. Jeder ist Sieger, und der Ehrgeiz ist nicht mehr wichtig. In einem großen Zelt spielt Musik und es gibt das was ich jetzt dringend brauche, was zu essen. Ich fange wieder mit der warmen Suppe an, denn mir ist einfach kalt. Nach einer kleinen Mahlzeit mit allem was die Tische hergeben gehe ich hoch und ziehe mich um. Ich brauche lange um wieder zu Atem zu kommen, aber dann gehe ich mit all meinen Klamotten nochmal ins Zelt um mir nochmal was zu Essen zu holen.

Ein toller Lauf. Ich hätte nicht gedacht dass es fast 1000 Höhenmeter rauf und wieder runter gehen würde. Die Organisation war klasse, mehr Markierungen am Weg als ich erwartet hätte, viele freundliche Helfer und etwas zu Essen, das man sich hier in Deutschland nur wünschen könnte. Der Wald hat sich ewig gezogen und es war dann doch noch sehr kalt. Die letzten 10km haben mir fast den Rest gegeben. Laufen an der Straße entlang ist nichts was ich mir wünsche, sowas vermeide ich auch in München wo es nur geht.
Das nächste mal probiere ich vielleicht Oslo oder Madrid aus. Paris mache ich dann doch lieber als Tourist. Wichtig ist, ich war dort und wurde nicht durch Terroristen erschossen. Ich bin Sportler und Sport soll vereinigen. Bei mir klappt das immer!

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