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Tecnica Maxi Race – Bis Doussard

Lange hatte ich mich auf diesen Lauf vorbereitet. Ich muss zugeben dass mir irgendwann im Training die Luft und die Lust ausgegangen sind, so dass ich nicht so gut vorbereitet war wie im letzten Jahr zum Raid du Morbihan. Um 2 Uhr nachts ging es aus dem Bett, denn der Lauf sollte um 3:30Uhr morgens losgehen. Die Sachen hatte ich alle bereits vorbereitet, Handy und Uhr hingen am Netz und waren voll aufgeladen und alle Stellen, die aufgescheuert werden konnten habe ich gründlich eingefettet.

Auf dem Weg zum Start waren einige Läufer einzeln oder in Gruppen unterwegs. Im Park und am Wasser waren auch Grüppchen von angetrunkenen Jugendlichen anzutreffen. Kurz vorm Start habe ich noch eine freie Toilette genutzt.
Eine große Menschenmenge hat sich am Lauf-Village angesammelt. Es vergingen einige Minuten bis wir alle herein gelassen wurden. Alle stellten sich langsam im Startbereich auf.

Alle zählen (auf französisch) rückwärts von 10 bis mit roten Magnesium Fackeln und einem lauten Knall das Signal zum Start gegeben wird.
Obwohl es so früh ist gibt es immer mal wieder Menschen, die uns zujubeln als wir an ihnen vorbei laufen. 2 1/2 km lang laufen wir durch den Ort, bis es eine Art Wanderweg den Berg hinauf geht. Hier ist Überholen erstmal ausgeschlossen, genau so wie Valentin mich in Paris vorhergesagt hat. Nach einigen hundert Metern bergauf habe ich meine Treckingstöcke aus dem Rucksack gezogen. Lange mache ich mir Gedanken darüber wie man die Stöcke am besten nutzt, aber ich stelle nach einigen km fest dass die richtige Technik ganz automatisch kommt.
Die Wege sind gut gekennzeichnet. Es gibt immer einen Pfeil, der einem an einer Kreuzung den richtigen Weg zeigt und eine Reihe reflektierende Kreuze weisen auf den falschen Weg hin. All das zeigt sich im Licht meiner Stirnlampe sehr deutlich.

Bei km 8 kommen wir am ersten Checkpoint vorbei. Hier tanzt ein Pärchen in Kuhkostümen und heizt uns ein, ich muss bei dem Anblick schon sehr schmunzeln. Ab hier kann man nicht mehr auf die Lichter der Stadt herunter schauen, wir sind nun im Wald angekommen. Gegen 5 Uhr morgens fangen Vögel imWald an zu zwitschern. Es ist bereits blaue Stunde aber noch zu dunkel die Stirnlampe aus zu machen. Die km ziehen sich hin, schnell geht anders. Im großen und ganzen haben die Läufer ähnliche Sachen dabei. Viele sehe ich ohne eine Jacke laufen, obwohl die Regeln dies vorgeschrieben haben. Einige Läufer haben eine Art Köcher an ihrem Rucksack angebracht in dem die Stöcke zu finden sind.
Als gegen 6 die Sonne aufgeht stecke ich noch irgendwo im Wald und kann sie leider nicht sehen. Wenig später laufe ich aber an Jurten in einem Skigebiet vorbei. Hier sind zum ersten mal wieder Menschen zu sehen. Ich kämpfe ein bischen mit meinem Rucksack schaffe es aber mein Handy heraus zu fischen um ein erstes Fotos zu machen. Ich hatte damit gerechnet dass das Feld sich langsam ein wenig streckt, aber ich stecke immernoch zwischen anderen Läufern fest. Verschiedene Läufer sprechen mich immer mal wieder in französisch an, durch meine kaum vorhandenen Sprachkentnisse bin ich ein wenig hilflos. Nett lächeln und Nicken hilft meist den Eindruck zu vermitteln ich würde irgendwas verstehen.

Nach genau 3h laufe ich am Gipfelkreuz von Semnoz vorbei und in Richtung erste Verpflegungsstelle. Bis hier hin habe ich 1400 Höhenmeter und 18,5km zurückgelegt. Beinen und Füßen geht es auf Grund der bisher geringen Geschwindigkeit noch sehr gut. Im Zelt fülle ich den Rucksack auf, schnappe mir ein paar Cracker und einige Käsewürfel und esse ein bischen was. Ein paar Becher Cola sollen die Sinne scharf halten. Da ich draussen keine Toiletten finde mache ich das was die meisten anderen auch machen und wässere die Wiese.
Semnoz

Kleine Bäche kreuzen den Weg, so das ich nur wenige hundert Meter weiter im Schlamm Eindruck hinterlasse. Von einem Franzosen neben mir höre ich das „Ca va?“ das mir noch ein paar mal über den Weg laufen wird. Ich bin erstmal vorsichtig und nutze bei besonders kitzligen Stellen die Stöcke um mich zu sichern. Es geht ein bischen über Kuhweiden bevor wir alle wie von Sinnen steile Bergwege hinunter rennen. Ich kann spüren wie meine Zehen an der Schuhspitze sich langsam in Matsch verwandeln, der Schmerz ist furchtbar. Ich befürchte Blasen unter den Nägeln. Das Problem ist dass die Wege so eng sind dass man von den Läufern hinter einem vorangetrieben wird. Langsam geht hier einfach nicht. Einmal rutsche ich auf einem Stein aus und lege mich quer über den Weg mit ausgestreckten Armen. Ein weiteres „Ca va?“ zeigt mir dass Ultraläufer was anderes sind als Marathonläufer. Hier achtet man auf sich, denn vielleicht braucht man selber nochmal hilfe.

In etwa einer Stunde haben wir die vorher gewonnenen Höhenmeter wieder verloren und sind in St. Eustache angekommen. Hier steht eine Art Tisch mit lauter Wasserhähnen. Ich fülle den Rucksack wieder auf. Viel trinken konte ich bisher nicht, hätte ich mich nicht voll auf den Weg konzentriert wäre ich mehr als ein mal gestürzt. Mit einem Gel und einigen Schluck Wasser setze ich mich an die Seite und klage meiner Freundin mein Leid per WhatsApp. Am liebsten würde ich aufgeben, irgenwas in mir lässt mich aber nicht. Nach 3-4 Minuten geht es weiter. Zu lange Pausen sind nicht gut, sonst fange ich an zu zittern.
Es dauert ein bischen bis ich wieder laufen kann. Die kurze Pause hat die Beine steif werden lassen. Erst über Asphalt und dann mitten durch den Schlamm geht es wieder bergauf. Die Geschwindigkeit ist zum Glück ein bischen raus und ich kann wieder auf Essen und Trinken achten. Immer wenn meine Uhr einen weiteren km piept nehme ich ein paar Schluck. Noch geben meine Beine einiges her und ich muss mich davon abhalten andere Läufer zu überholen. Selbst die Zeit, die ich bisher gut gemacht habe, wird mich noch teuer zu stehen kommen. Von km 28 (St Eustache) bis zum nächsten Gipfel (ca km 35) legen wir wieder 600 hm zurück. Meinen Zehen hat das gut getan, der Schmerz ist weniger geworden. Jetzt geht es wieder steil bergab. Nachdem ich wieder einmal ausrutsche werde ich aus Angst vor Verletzungen sehr vorsichtig. Die Füße machen mich gerade fertig. Ich darf nicht zu schnell laufen, sonst kann ich auf einem der vielen Felsen böse stürzen.
Schneller Abstieg nach St-Eustache
Ich mache zwei kurze pausen, einmal setze ich mich in einer Kurve hin um ein bischen Luft schnappen zu können und ein Gel zu mir zu nehmen. Beim zweiten mal habe ich eine schöne Aussicht auf den See. Andere Läufer halten hier auch. Gerade als Juli mir schreibt dass es bei ihr regnet fängt es auch bei mir an zu schütten. Meine Stimmung ist am Tiefpunkt. Ich würde am liebsten kapitulieren. Der Gedanke ob mir meine Fivefingers hier mehr geholfen hätten schiesst immer wieder durch den Kopf.
Erster Blick auf Lac D'Annecy
Es ist ein gefühlt langer Abstieg aber unten gibt es wieder eine Verpflegungsstelle, an der ich wieder ein paar Minuten Pause brauche. Nachdem der Rucksack am Wasserhahn befüllt ist und ich ein Gel getrunken habe geht es wieder weiter. Vor mir läuft eine Frau in FiveFingers, es ist also möglich. Es dauert zwar ein paar km, aber irgendwan fällt mir auf dass ich durch einen Buchsbaum Wald laufe. Sowas habe ich noch nie gesehen. Es ist wunderschön, aber jedes mal wenn ich mich nicht auf den Weg konzetriere komme ich ins Stolpern, also wieder Blick auf den Weg.
Blick aufs Tal hinter den Bergen

Der übergang vom Wald in die Zivilisation ist abrupt, plötzlich laufen wir auf alle wieder auf Asphalt. Die Geduld der Autofahrer erstaunt mich. Es fahren ein paar Autos aus Freiburg an mir vorbei. Mit viel Freude und einem breiten Grinsen lächle ich ihnen zu, aber natürlich verstehen sie nicht warum ich winke. Ein paar km bin ich mehr am gehen als am Laufen, meine Füße brauchen gerade ein bischen Ruhe.
Währen der Abstiege fiel mir auf dass der vordere Teil der Oberschenkel, direkt über der Kniescheibe bergab am meisten Last trägt. Hier hätte mehr Bergtraining wahrscheinlich geholfen.

Bis Doussard waren 44km zurückzulegen, bis eine weitere Verpflegungsstelle auftauchte. Zu „Staying Alive“ von den Bee Gees tanze ich an der Messstation vorbei. Ich befülle den Rucksack und will mir endlich eine Suppe schnappen. Natürlich gibt es genau in diesem Moment keine mehr. Ich stopfe mir Käse in den Mund und setze mich auf einen Stuhl um meine Füße zu inspizieren.
Verpflegung in Doussard
Schuhe und Füße sind furchtbar nass und dreckig. Ich kann aber keine Blasen unter den Nägeln sehen, aber die Zehen reagieren empfindlich auf Druck. Aufgeben gilt nicht.

Hier geht es weiter zum 2. Teil.

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