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Köln – Marathon

Im Schatten der großen Eistüte steigen wir am Sonntagmorgen in die S-Bahn ein. Lauter nervöse Menschen in engen Laufklamotten hüpfen überall von einem aufs anderen Bein. Ich bin zwar immer noch nervös aber es ist schon deutlich entspannter als noch vor Jahren.
Auf der anderen Seite des Rheins sucht man irgendwo einen Platz in der Menschenmasse. Mit einigem Geknutsche trenne ich mich kurz vorm Start von Maria und lasse alles auf mich wirken. Maria wartet auf der Strecke auf mich, direkt an unserem Hotel. Der psychische Push ist immer eine gute Hilfe nicht mittendrin aufzuhören.

Der Knall kommt und vorne rennen alle los, hinten um das 4h Schild herum kommt Geschwindigkeit erst in Wellen an, bis dann auch ich über die Startlinie laufen kann. Nach all den Jahren bin auch ich zu Anfang zu motiviert und damit zu schnell unterwegs.
Die Schlange findet irgendwann den Weg über den Rhein. Um mich herum gibt es Läufer, die stark konzentriert wirken, Gespräche darüber wie das Training lief, die üblichen Themen von Menschen die einmal im Jahr eine große Gruppe Gleichgesinnter finden. An einzelnen Stellen haben sich Kölner eingefunden um zu jubeln. Irgendwo weit unten im Süden kommt die erste Wende. Maria wartet ein paar km entfernt auf mich und ich nutze das Wissen als Motivation.
Plötzlich taucht überraschend ein Motorrad mit Kameramann neben mir auf. Ich registriere erst dass ich schneller laufe als eine Stimme neben mir sagt:
„Kaum taucht das Motorrad auf laufen alle irgendwie schneller!“
Ich drehe mich um und sehe direkt hinter mir eine Läuferin.
„Stimmt, irgendwie geben alle unbewusst mehr Gas,“ antworte ich ihr.
Wir unterhalten uns ein bisschen. Sie läuft hier ihren ersten Marathon und ich checke ein bisschen wie sie trainiert hat, was sie plant und wie es ihr geht. Genaue Trainingspläne, Stabilisierungsübungen, genau abgemessene Energy Gels und ein Tape am Fuß wo es immer reibt. Irgendwie war ich nicht im Ansatz so gut vorbereitet. Meinen ersten Marathon habe ich in Bermuda, mit einem steifen Camelbak und in Baumwollshirt gemacht. Auch mein Training war nicht ansatzweise so optimiert.

Am Treffpunkt mit Maria stelle ich fest dass mir ein Fehler unterlaufen ist. Ich laufe nicht in der ersten Hälfte an unserem Hotel vorbei sondern bei km 38. Gerade kann ich sie auf der anderen Seite einer großen Kreuzung sehen.
„Ich muss kurz meine Freundin anrufen,“ sage ich meiner Begleiterin, während ich gerade meine Ohrenstöpsel aus der Tasche krame.
„Hallo Schatz,“ trällert es mir in die Ohren, „ich sitze neben der Dame die auf dem Kochtopf trommelt. Wo bist du?“
„Ich habe mich vertan,“ antworte ich.
„Was hast du? Ich kann dich schlecht verstehen,“ wird mir direkt geantwortet.
Meine Stimme wird lauter. „Ich habe mich vertan, ich komme erst in 2h beim Hotel vorbei, du bist bei km 38 und ich auf der ganz anderen Seite der Kreuzung,“ versuche ich zu erklären. Ich werde ein wenig traurig, da ich mich sehr auf diesen Schub an Adrenalin gefreut habe. Die Freundin an der Strecke ist das Beste was einem passieren kann.
„Oh! Dann suche ich mir glaube ich ein Café und lese eine bisschen“, mir schlägt etwas Enttäuschung entgegen. Wir hatten uns beide darauf gefreut.

Wenig später stellt meine Begleiterin fest dass ihr Pflaster am Fuß verrutscht.
„Ich muss mein Pflaster richten, ich kann fühlen wie es reibt,“ teilt sie mir mit.
„Dann wünsche ich dir noch ein schönes Rennen und viel Erfolg,“ sage ich ihr noch zum Abschied.

Die nächsten km verlaufen einigermaßen entspannt. Ein kurzer Regenschauer sorgt für eine angenehme Abkühlung bevor die Sonne hervor sticht und anfängt mich zu kochen.
Die Zuschauer erweisen sich als Party People. Ständig wird gejubelt. In den verschlungenen Wohngebieten haben sich kleine Cluster gebildet, die mit viel Musik feiern und die Läufer anfeuern. So macht es Spaß. Ich laufe ein mehreren angebotenen Gläsern Kölsch vorbei.
In einer Kurve vor mir geht ein älterer Herr vor Erschöpfung zu Boden. Gleich strömen ein paar Zuschauer zusammen und versuchen zu helfen, während einer offenbar schon die Sanitäter suchen will.
Ein paar km weiter sehe ich einen weiteren Läufer, der mit einer Platzwunde am Kopf an eine Wand lehnt. Hier haben Zuschauer wohl bereits erfolgreich ein paar Sanitäter alarmiert.
Köln ist definitiv eine großartige Marathonstadt, Organisation, Zuschauer und Versorgung stimmen einfach.

Immer wieder laufe ich an Staffelläufern von einer Beratungsfirma vorbei. Das Muster ist immer dasselbe, ich laufe an einem Läufer vorbei (es gibt mehrere Teams), nach dem nächsten Wechselpunkt werde ich vom Nachfolger überholt, bis ich ihn wieder einhole.
Auf Höhe meines Hotels spreche ich einen der Läufer an: „Solltest du nicht so kurz vorm Ziel noch alles rausholen?“
Erst schaut er noch irritiert an, grinst dann, nickt und sagt: „Recht hast du!“ 
Ich kann jetzt nicht sagen dass ich seinen Staub schlucke, kann ihn aber langsam Abstand gewinnen sehen.
Die nächste Ecke bringt mich in die Fußgängerzone und mein Herz schlägt schneller. Jubelnd quillt die Freude immer wieder aufs mir heraus. Die Wände geben es mir als Echo zurück. Ein paar mies gelaunte Touristen rufen mir hinterher ich solle ruhig sein. Nach fast 4 Stunden auf den Beinen und nur wenige hundert Meter vom Ziel entfernt könnte ich dir Freude nicht aufhalten, selbst wenn ich es wollen würde. Dem schnellen Staffelläufer ist die Luft ausgegangen und dieses Mal schluckt er meinen Staub.
Die kleine Rampensau in mir trägt mich laut jubelnd übers Ziel. Maria hat mich dabei gefilmt und ich kann zum ersten Mal sehen wie lustig meine Füße in den Five Fingers aussehen.

Eine junge Dame hängt mir eine Medaille um den Hals, ich greife mir Banane, Brötchen und Müsliriegel und schnappe bei einem alkoholfreien Kölsch zu. Mehr als einmal dran nippen schaffe ich nicht, es schmeckt furchtbar bitter. Augenblicklich verstehe ich Marias Gesichtsausdruck als sie ihr erstes getrunken hat. Fast der ganze Inhalt fließt bei mir in den Gulli.
Das Taschenlager ist kurz hinter dem Ziel und so bin ich 5 Minuten später in einem mobilen Duschwagen und wasche mir zwischen anderen nackten Männern den Schweiß der Arbeit herunter. Maria gibt mir, nachdem wir uns wiedergefunden haben, einen Kuss der ins Guinness-Buch als weltbester Kuss gehört. Vielleicht bin ich ja voreingenommen. Freude trunken stapfen ich neben Maria her, während wir versuchen etwas zu essen und einen Sitzplatz zu finden.

Das Flugzeug setzt uns am Abend wieder in München ab und ich hänge die Medaille neben die anderen, unter das Bild von meinem Vater und mir. Ich habe eine weitere tolle Stadt läuferisch erkundet und kann mich nur darüber freuen wie schön es war und was für großartige Freunde ich habe, die mit mir Zeit verbringen wollen.

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